Transformatives Recht?

Ein Highlight aus 2022 zur Bedeutung von Recht für die sozial-ökologische Transformation war für mich dieser Artikel:

In ZUR 9/2022 fragten Ginzky & Ruppel nach "Experimentierfreude, Innovation und Nachsteuerung durch „transformatives“ Recht"? (leider hinter Paywall, entdeckt im Reader zu "Transformationshoffnung Recht", https://lnkd.in/eeJSxDuc).

Toll und selten ist, dass „transformatives Recht“ nach den dort vorgeschlagenen „fünf Herausforderungen“ (s.u.) mehr leistet als die im Umweltrecht herkömmliche bloße Vorsorge durch Regulation und Verbote. Es soll auch die Umgestaltung selbst experimentell erkunden und konstruktiv unterstützen. 👍

Kooperationen von relevanten Akteuren (z.B. Kammern und Berufsverbänden) sollen gezielt gefördert werden, um Transformationskraft in einzelnen Sektoren „freizusetzen“. Das erinnert an die Konzepte der Ernährungsräte (z.B. Ernährungsrat Berlin) oder allgemeiner von "Chambers of Commons“ der P2P Foundation.

Nachvollziehbar ist außerdem, dass transformatives (öffentliches) Recht nicht bei der Rahmensetzung für einen “freien Markt“ stehen bleibt und ggf. "illegitime Aneignungen" und "ineffektive Systemlogiken" einhegen muss, die die sozial-ökologischen Krisen antreiben.

Will Recht den zur Transformation „Willigen und Fähigen“ dennoch „freisetzend“ und nicht behindernd entgegenkommen, müssen wohl die staatlich garantierten wirtschaftlichen Freiheitsrechte grundlegend neu gedacht werden. Dazu wegweisend kann mE das „Right to Commoning“ (nach David Bollier & Weston) sein, also das Recht, kooperativ und selbstorganisiert zu wirtschaften bzw. Praktiken zu entwickeln, die jenseits der Verwertungslogiken von Markt und Staat ermöglichen, mit Ressourcen suffizienter umzugehen. So verstandene Freiheitsrechte für transformatives Wirtschaften müssten angesichts der Klimakrise stärker beachtet und geschützt werden, ggf. auch durch eine angemessenere Abwägung mit kollidierenden Regulationen, bspw. behindernden Rechtsformzwängen, Eigentumsrechten und Marktfreiheiten. Das wäre dann wohl Aufgabe für ein "transformatives Wirtschaftsverfassungsrecht". Es bleibt also viel zu tun in 2023! 😉

Die fünf Herausforderungen für „transformatives Recht“ nach Ginzky/Ruppel (Zeitschrift für Umweltrecht, 9/2022, S.450) sind:
- Vorsorgeorientierte Rahmensetzung zur Vermeidung inakzeptabler Risiken
- Minderung des Energie- und Ressourceneinsatzes
- Förderung von Innovationslogiken, dabei Exnovation von nicht-nachhaltigen Wirtschaftsweisen
- Ermöglichung von Experiment/Überprüfung/Anpassung
- Freisetzen von innovativem und gestaltendem Potential (Ermöglichung und Förderung von „Allianzen der Willigen und Fähigen“)